Sonntag, 15. Januar 2012

Der Russlandfeldzug

In diesem Kapitel beschreibt Guderian den Weg seiner Panzertruppen im Krieg gegen die Sowjetunion. Es ist das erste Mal, dass er über Niederlagen auf deutscher Seite schreibt. Ich bin mir nicht sicher, ob die Deutschen im Krieg gegen die Westmächte wirklich keine oder nur sehr wenige Niederlagen hatten, ob nur die Guderian unterstellten Divisionen und die umliegenden Einheiten keine Niederlagen hatten oder ob Guderian sie in seinem Buch einfach nicht erwähnte.

Auf jeden Fall sieht es im Russlandfeldzug ganz anders aus. Er beschreibt in diesem Kapitel sehr oft, wie stark und technisch überlegen ihr Feind ist. So finde ich eine Szene sehr speziell, in welcher er beschreibt wie sie russische Truppen vernichtend geschlagen haben und nur noch ein vereinzelter Panzer des Typs T 34 weiterkämpfte. Die deutschen hatten mit ihren technisch stark unterlegenen Panzern III und IV mehrere Stunden brauchten, um den einzelnen feindlichen Panzer auszuschalten, denn die deutschen Panzergeschosse prallten wirkungslos an der feindlichen Maschine ab.

Am Anfang des Kapitels zeigt Guderian seine Auffassung der Fortsetzung des Krieges auf, bei der er unter keinen Umständen einen zwei-Fronten-Krieg gegen England und Russland riskiert hätte. Er erzählt, wie Hitler ein Jahr vor dem Kriegsausbruch mit Russland bei einem Vortrag sagte, dass genau dieser Zwei-Fronten-Krieg einer der grössten Fehlern der Deutschen im 1. Weltkrieg gewesen sei und das ein solcher Fehler nie wieder geschehen dürfe. Zu dieser Zeit vertraute Hitler nach Guderian seinen Generalen noch, hörte sie an und rechnete deren Überlegungen in seine Taktiken ein. Während des Russlandfeldzuges schwindet dieses Vertrauen in die Generale und man merkt zunehmend, wie Guderian seine anfängliche Begeisterung, wenn man dies so ausdrücken darf, verschwand. Er beklagt sich zunehmend über die die Entscheidungen Hitlers und des Oberkommando des Heeres (OKH). Die ganzen Konflikte fand ich als Leser sehr banal, aber auch sehr spannend zu lesen. So bemängelte Guderian, dass im OKH nur Generale vertreten waren, die keinerlei Fronterfahrungen vom 2. Weltkrieg hatten und demnach die Lage gar nicht richtig einschätzen könnten. Später im Krieg hörte Hitler überhaupt nicht mehr auf seine Kriegserfahrenen Generale und traf immer wieder Entscheidungen, die entgegen jeder Empfehlung der kriegserfahrenen Generale standen, steckte viel zu weit hergeholte Ziele und lehnte jede Einsprache der kommandierenden Generale ab. Guderian selbst flog mehrmals nach Berlin, um ihm vorzutragen, wie schlecht die Lage an der Front wirklich sei, wie wenig Nachschub sie kriegten und welche Ziele für die weitere Kriegsführung wirklich wichtig seien. So finde ich zwei Beispiele dazu sehr eindrücklich.
Sowjetischer T 34 Panzer, der den Deutschen sehr viele Probleme bereitete.

Deutscher Tiger

1.  Nachdem die deutschen Truppen bereits weit in die Sowjetunion eingedrungen waren, stellte sich die Frage, wie der Krieg fortzusetzen sei. Hitler hatte die Lage bereits völlig unterschätzt. Er rechnete mit einem viel schwächeren Gegner, dem viel schnelleren Vorwärtskommen seiner Truppen und dem Sieg über Russland vor Wintereinbruch. Es stellte sich nun die Frage, welches grosse Ziel als nächstes gesteckt werden sollte. Praktisch für alle Generale an der Front war klar, dass das nächste Ziel Moskau, das Herz der Sowjetunion sein solle, um den Gegner stark zu schwächen und um Deutschland noch vor dem Winterbeginn in eine günstige Lage zu bringen und den Feind militärisch zu schlagen. Hitler hingegen dachte politisch und wirtschaftlich. Er setzte Kiew und die Ukraine als Hauptziel, um die Industriegebiete zu nutzen und irgendwelche Ölfelder zu beanspruchen. Das witzige daran ist, dass Deutschland den Krieg hätte gewinnen können, wenn Hitler nicht solch abwegigen Entscheidungen getroffen hätte, die entgegen jeglicher Meinungen seiner Soldaten stand! Und, das war bei weitem nicht die einzige solche Entscheidung! Man merkt richtig, wie Guderian daran verzweifelte, wie Hitler und das OKH alle seine Empfehlungen zur Weiterführung der Mission zerschlagen und völlig unrealistische Ziele setzt.  Naja, zum Glück hat er es getan, wer weiss was sonst herausgekommen wäre und wie wir dann heute leben würden.

2. Eine zweite spannende Szene spielte sich im Führerhauptquartier ab, als Guderian Hitler die Situation im Winter schildert, als die Russen 1942 die Übermacht über die Deutschen gewannen und sie immer weiter zurückdrangen.
Guderian möchte dabei erreichen, dass sich seine Truppen zu einer bestimmten Verteidigungslinie zurückziehen dürfen und dass die Soldaten nun endlich Winterbekleidung und Nachschub bekommen sollten, da in dieser Zeit doppelt so viele Deutsche erfroren, als durch den Feind getötet wurden! Das imponierte mir ebenfalls sehr. Hitler gab zur Antwort, dass er es verbiete, dass sie sich zurückziehen und dass sie gefälligst jeden Zentimeter verteidigen sollen.
Als Guderian erwidert, dass es im Moment durchschnittlich -35 - -50 Grad kalt wäre und der Boden bereits bis auf zwei Meter gefroren sei und es deshalb mit ihren Verschanzungsinstrumenten auf keinen Fall möglich sei, irgendwelche Löcher zu graben, gibt Hitler als Antwort, dass sie mit den schweren Geschützen Löcher in den Boden schiessen sollen. Darauf gibt Guderian zurück, dass sie pro Division noch knapp 10 Geschütze dieser Art hätten und das diese nur Löcher von wenigen Metern erreichen würden, die keines Falls als Deckung genutzt werden könnten. Ausserdem hätten sie nur noch 50 Schuss pro Geschütz, die nicht einfach verschwendet werden dürften. Er erklärte Hitler, dass die Soldaten den Kampf verlieren werden, wenn sie eine Verteidigungslinie auf dem offenen Feld einrichten sollten.
Darauf meint Hitler, dass der König im ersten Weltkrieg das Opfer seiner Männer für ihn beanspruchen konnte und dass er denkt, dass auch seine Männer ihr Leben für ihren Führer und das Vaterland hergeben müssten, wenn er es verlange. Hitler verbot den Rückzug zu einer strategisch günstigeren Lage somit und beendete das Gespräch.
Kurz darauf wurde Guderian seines Amtes enthoben, zusammen mit anderen bewährten Generalen, denen Hitler nun misstraute, seine Pension wurde gestrichen und er wurde, obwohl er für mehrere Tätigkeiten im Heer vorgeschlagen wurde, immer von Hitler abgelehnt.
Warum ich dieses Beispiel gebracht habe? Es hat mich einfach fasziniert, fasziniert wie krank Hitler war! Ich wusste ja, dass er gegenüber Ausländern, besonders Juden und auch Behinderten sehr feindlich gesinnt war, aber dass er auch in eigenen Reihen solche Opfer auf sich nimmt, hätte ich nicht gedacht.
Speziell diese Szenen waren für mich sehr spannen zu lesen, wobei es auch sehr mühsame Teile gab, bei welchen Guderian die ganze Zeit über erreichte Tagesziele und Truppenaufstellungen schreibt. Diese Teile habe ich aufgrund langsam aber sicher drängender Zeit übersprungen. Ein wenig schade finde ich, dass er so technisch und oft auch objektiv schreibt. Seine und vielleicht auch Meinung anderer Personen fehlen mir manchmal und würden mich sehr interessieren.

In anderen Filmen oder Bücher über den Krieg wird immer viel mehr über das Leiden, den Tod, die Gewalt und so weiter erzählt. Dies ist bei diesem Buch absolut nicht der Fall. Er schreibt zwar immer wieder, dass der Tod eines Freundes ihn erschüttert habe und erwähnt die Zahl der Toten, aber weiter nichts. Es ist eindeutig nicht die typische Kriegsgeschichte.  Besonders beim Frankreichfeldzug ist mir dies aufgefallen, und es ist nicht so, dass er die Leiden des Krieges gar nicht gesehen hätte, denn er war immer an der Front!
Er macht dem Leser aber trotzdem die Härte des Krieges klar, schildert die Umstände, unter denen gekämpft wurde und bringt das Ganze an den Mann. Ich konnte mir den harten Kampf im Winter in Russland vorher gar nicht so richtig vorstellen. Am Anfang des Winters gab es keine anständigen Strassen mehr, da der Niederschlag die ganze Landschaft in einen Schlammsumpf verwandelte und dann im Winter -40 Grad, alles gefroren, keine Winterbekleidung, wenig zu essen, wenig Munition, kein Nachschub oder Ablösung durch andere Truppen und dann noch die Übermacht der russischen Truppen und deren Ausrüstung. 

In der Bezirksschule habe ich gelernt, dass der Krieg seine Wende in Moskau nahm und von da an der deutsche Ansturm gestoppt und sich der Krieg zu Gunsten der Alliierten änderte. Guderian schreibt jedoch, dass die Wende bereits viel früher eintraf, als Hitler definitiv eintschied, dass Kiew und nicht Moskau als nächstes eingenommen werden sollte, denn dann war ihm klar, dass der Krieg nicht vor dem Winter gewonnen werden konnte und stattdessen gegen die für den Winter gerüsteten Russen verloren werden würde. Das ganze leuchtet aus dieser Sicht ein.
Einen letzten Punkt, den ich zu diesem Kapitel noch erwähnen möchte, ist der Folgende. Guderian will mit diesem Buch anscheinend auch klarstellen, dass nicht alle Deutschen damals so fanatisch wie Hitler waren und er will auch einige mir leider unbekannten Aussagen von Russen, Franzosen etc.  der Nachkriegszeit bestreiten oder korrigieren. So behaupteten die Russen anscheinend nach dem Krieg, dass die Truppen Guderians einige Kirchenschätze und ein Grab eines berühmten russischen Schriftstellers ausgeraubt hätten. Guderian bestreitet diese Anschuldigungen scharf und sagt, er habe eigenhändig dafür geschaut, dass seine Männer so etwas nicht tun. Er wirkt bei diesen Stellen sehr empört und ein bisschen beleidigt.

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